Aus den Magazinen des Staatsarchivs: Kalbskopf und Füße mit Speck.

Das Sächsische Staatsarchiv verwahrt die große Menge von fast 109 Kilometern Archivgut. Die Magazinverwaltung muss deshalb immer aktuell gehalten werden. Dabei kann es zu überraschenden Funden kommen, wie beispielsweise einigen Speisezetteln für den Herzog von Sachsen-Weißenfels. Wie sah nun die Verpflegung an einem Fürstenhof des 18. Jahrhunderts aus?
Mit derzeit 109 Kilometern Archivgut und einer Magazinkapazität von mehr als 146 Kilometern gehört das Sächsische Staatsarchiv zu den großen Archiven in Deutschland. Die Verwaltung der Magazine ist eine Aufgabe unserer „Logistiker“, der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. Derzeit wird die gesamte Magazinverwaltung auf ein neues System umgestellt (zu gegebener Zeit werden wir darüber berichten). Bei den Vorarbeiten dazu fiel mir ein seltenes Stück Überlieferung in die Hände, das einen besonderen Blick in die fürstliche Privatsphäre bietet.

Altbaumagazin des Hauptstaatsarchivs Dresden. Foto: Swen Reichold
Überlieferung der Speisezettel
Speisezettel aus dem Alltag fürstlicher Hofhaltungen sind häufig verlorengegangen, da ihre Bewahrung aus damaliger Sicht nicht wichtig erschien. Auch die hier vorgestellten Stücke sind wohl eher zufällig erhalten geblieben. Karl von Weber (1806 – 1879), von 1849 bis 1879 Direktor des Hauptstaatsarchivs, hat sie zusammen mit anderem fragmentarisch aufgefundenem Material nachträglich zur Akte „Speisezettel und andere Hofangelegenheiten Herzog Christians von Sachsen-Weißenfels“ formiert.1 Hier befinden sich die Speisezettel auf den Blättern 1 bis 7.
Es handelt sich um insgesamt 7 Speisezettel für einige Mittags- und Abendmahlzeiten aus dem Zeitraum vom 4. bis 10. September 1710. Teilweise sind bei den Mittagsmahlzeiten auch Speisen zum Frühstück mit vermerkt, beispielsweise am 9. September „zum Frühstück 4 Pfund Schöpsenbraten“, also Hammelbraten.
Die Speisen sind offensichtlich nicht nur für Herzog Christian (1682 – 1738) und dessen damals etwa zweieinhalbjährige Nichte Johanna Magdalene, sondern auch für die an den Mahlzeiten teilnehmenden Mitglieder des Hofstaats gedacht. Die Speisen für die Prinzessin Johanna Magdalena (1708 – 1760), die etwas von denen für Herzog Christian abwichen, sind am Ende gesondert angeführt.
Der Ort, an dem sich damals die Hofhaltung des Herzogs Christian und seiner Nichte Johanna Magdalena befand, ist in den Speisezetteln nicht genannt. Allerdings wird mehrfach erwähnt, dass Geflügel, Karpfen und Gebäck „von obhus.“ oder „von obh.“ stammten. Die plausibelste Auflösung für dieses Kürzel ist das Dorf Obhausen (heute Saalekreis, Sachsen-Anhalt), in dem es damals ein Rittergut gab. Sollte diese Hypothese stimmen, kommt die nahegelegene Burg Querfurt stark als Ort der Hofhaltung in Betracht.


Fleisch, Geflügel, Fisch und Eier als Hauptbestandteile
Wie für die Angehörigen der Oberschicht in der frühen Neuzeit typisch und standesgemäß, dominieren in den Speisezetteln Nahrungsmittel tierischer Herkunft. Häufig gab es Kalb- und Hammelfleisch, während Schweinefleisch nur am 10. September mittags belegt ist. Gelegentlich gab es auch Wild, nämlich Wildschwein und Hirsch und einmal bei der Prinzessin Johanna Magdalena einen halben gebratenen Hasen.
Beim Geflügel treten neben Hühnern, Enten und Truthähnen auch die heute eher selten verzehrten Tauben und Wachteln auf. Am 4. September abends wurde daneben mit Lerchen auch ein Wildvogel serviert, 37 Stück für die Tafel des Herzogs und 4 Stück für die der Prinzessin. Die Prinzessin erhielt am 8. September nochmals 4 Stück.
Der Fang dieser Wildvögel zum Verzehr war damals üblich, insbesondere in der Umgebung von Leipzig. Nach dem 1876 in Sachsen erlassenen Fangverbot ging der Name „Leipziger Lerche“ auf eine bekannte Leipziger Gebäckspezialität über.
Fische und Krebse waren ein häufiger Nahrungsbestandteil. Es fällt auf, dass im überlieferten Zeitraum nur Süßwasserfische gegessen wurden, nämlich Karpfen, Hechte und die heute nur noch selten verzehrten kleinen Gründlinge.
Eier wurden gelegentlich als spezielle Eiergerichte serviert. Beispielsweise enthält der Speisezettel zum 9. September abends den Eintrag „Eyer zerfahrens“, was wohl im Sinn von Rührei zu interpretieren ist. Häufiger waren wohl Eier Bestandteile von Gerichten, wie am 10 September Hechte in „Eyer Bruch“. Es ist damit zu rechnen, dass die Eier in diesen Fällen oft nicht ausdrücklich erwähnt wurden.
Obst, Gemüse und Getreide
Pflanzliche Nahrungsmittel treten als selbstständige Gerichte vergleichsweise wenig auf. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch die Fleisch-, Fisch- und Eiergerichte pflanzliche Zutaten enthielten, die oft nicht ausdrücklich genannt wurden. Frisches Obst wird nur selten genannt, nämlich nur 4. und 9. September jeweils mittags Birnen für Prinzessin Johanna Magdalena. An der herzoglichen Tafel gab es am 10. September Kirschmus als Füllung für den Wildschweinbraten.
Je einmal stehen Artischocken beim Herzog und bei der Prinzessin auf den Speisezetteln. Bei der Prinzessin sind daneben noch 2 Gerichte mit Gemüse als wesentlichem Bestandteil belegt, nämlich am 9. September mittags „gelbe Rüben“ und am nächsten Tag wieder mittags „gefüllt Kraut“. Am 10. September gab es auch an der herzoglichen Tafel „gefüllt Kraut mit Carbonad“, also mit einer Fleischfüllung, sowie „Bohnen mit Schincken“. Als Beilagen bzw. Füllungen treten Rüben, Weißkraut, Petersilienwurzeln sowie Morcheln als einzige belegte Pilzart auf.
Die Getreideprodukte sind in den Speisezetteln sehr wahrscheinlich nur unvollständig enthalten. Brot, das es sicherlich zu allen Mahlzeiten gab, war wohl so selbstverständlich, dass es nicht mit angeführt wurde.
Gelegentlich wurde zu den Mahlzeiten „Gebackens“, also Gebäck serviert. Graupen sind zweimal nachweisbar, nämlich am 8. September mittags als Graupensuppe und am darauffolgenden Tag mittags als Beilage zu einem Hühnergericht. Reis gab es einmal am 8. September abends für Prinzessin Johanna Magdalena in Form von „Reißmus“.
Besonderheiten der Speisen für Prinzessin Johanna Magdalena
In gewissem Grade sind bei den Speisen für Prinzessin Johanna Magdalena die Bedürfnisse eines Kindes berücksichtigt worden. Während es an der herzoglichen Tafel nur gelegentlich Suppe gab, gehörten hier Suppen an jeden Tag zum Menü. Allerdings ist hier durchweg nicht angegeben, welche Art von Suppen, serviert wurde.
Huhn wurde für sie häufiger, Fisch wohl wegen der Gräten deutlich seltener als für den Herzog serviert. Auch ist erkennbar, dass sie etwas mehr Obst und Gemüse erhielt, als der Herzog.

Ihre D[ur]h[laucht] Prinzeßin Joh[anna] Magdalena
- Suppe
- Junghun 2 St[ück]
- Schopsz[unge?]
- gebr[atene] Lerch[en] 4 St[ück] Wachtel[n] 2 St[ück]
- fr[ische] Birnen
Menü der Prinzessin vom 8. September 1710 (Quelle: SächsStA-D, 10119 Sekundogeniturfürstentum Sachsen-Weißenfels, Nr. 10189b, Bl. 3)
Herkunft der Lebensmittel
Die verwendeten Lebensmittel waren zu einem großen Teil regionaler Herkunft. Nicht aus der Region stammten zweifellos der im Zusammenhang mit dem Reismus erwähnte Reis und möglicherweise auch die mehrfach erwähnten Artischocken. Im letztgenannten Fall kann jedoch ein Gewächshausanbau nicht ausgeschlossen werden.
Die von Herzog Christian, seiner Nichte und ihrem Hofstaat verzehrten Speisen waren bezüglich ihrem hohen Anteil an tierischen Produkten standesgemäß, enthielten aber zumindest an den überlieferten Tagen nichts für die damalige Zeit Außergewöhnliches.
Zum Fürstentum Sachsen-Weißenfels und den beteiligten Personen
Nach dem Tod Kurfürst Johann Georgs I. 1656 wurden für dessen 3 jüngere Söhne im Folgejahr die 3 beschränkt selbstständigen Sekundogeniturfürstentümer Sachsen-Weißenfels, Sachsen-Merseburg und Sachsen-Zeitz gebildet. Alle 3 Fürstentümer vielen im Lauf des 18. Jahrhunderts wieder an das Kurfürstentum-Sachsen zurück, als letztes 1746 Sachsen-Weißenfels.
1710 regierte Herzog Christan in Sachsen-Weißenfels noch nicht selbst, sondern dessen älterer Bruder Johann Georg (1677 – 1712). Nach dessen Tod folgte er als vorletzter Herzog von Sachsen-Weißenfels nach. Er blieb kinderlos. Sein Nachfolger war sein jüngerer Bruder Johann Adolf II.
Die damals zweieinhalbjährige Johanna Magdalena war das einzige von 6 Kindern Herzog Johann Georgs, das das Erwachsenenalter erreichte. Ab 1730 war sie mit dem damals bereits 75-jähringen Herzog Ferdinand von Kurland verheiratet, der 1737 starb. Diese politische Zweckehe blieb kinderlos. Als sie am 25. Januar 1760 in Leipzig starb, war das Fürstentum Sachsen-Merseburg bereits Geschichte.
Hinweis zur Benutzung
Unsere Erschließungsangaben zum Bestand 10119 Sekundogeniturfürstentum Sachsen-Weißenfels finden Sie hier.
Weitere Links:
- SächsStA-D, 10119 Sekundogeniturfürstentum Sachsen-Weißenfels, Nr. 10189b [↩]
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Eckhart Leisering (14. Oktober 2024). Aus den Magazinen des Staatsarchivs: Kalbskopf und Füße mit Speck. SAXARCHIV-Blog. Abgerufen am 8. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/12hmr