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Organisation der Langzeitpraktika im Staatsarchiv Leipzig: ein Erfahrungsbericht

Erschließung von genealogischen Unterlagen (Foto: Christian Schlöder)
Erschließung von genealogischen Unterlagen (Foto: Christian Schlöder)

von Jonas Wenker

Als Student im Studiengang Archiv an der Fachhochschule Potsdam steht für mich im 5. Semester ein 20-wöchiges Praxissemester an. Aufgrund meines Interesses für die Genealogie entschied ich mich für das Staatsarchiv Leipzig. Welche Erfahrungen ich in dieser Zeit machen konnte und wie das Sächsische Staatsarchiv seine Praktika organisiert, können Sie im Folgenden nachlesen.

Ziel des Praxissemesters ist es, sämtliche archivischen Kernaufgaben in einem Staatsarchiv kennenzulernen. Dazu gehören:

  • Erschließung von Archivgut
  • Überlieferungsbildung und Schriftgutverwaltung
  • Benutzung
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Bestandserhaltung.

Organisation des Praktikums

Während meines Praxissemesters vom 2. September 2024 bis zum 24. Januar 2025 konnte ich schwerpunktmäßig Einblicke in die Referate 32 und 33 des Staatsarchivs Leipzig erhalten. Das Referat 32 ist für das gesamte staatliche Archivgut Nordwest-Sachsens zuständig, das Referat 33 dagegen für das nichtstaatliche Archivgut sowie die einzigartigen Bestände der Deutschen Zentralstelle für Genealogie.

Begleitet werden die ersten Wochen des Praktikums seit 2023 von Videokonferenzen, in denen Fachleute aus dem Staatsarchiv zu verschiedenen archivfachlichen Themen referieren:

  • Erstsensibilisierung Informationssicherheit und Datenschutz
  • Einführung in die Erschließung
  • Einführung Rechtsgrundlagen (Benutzung)
  • Überlieferungsbildung
  • Berufsfeld Archiv
  • Einführung Sächsisches Staatsarchiv und Archivwesen
  • Informationsrecherche, digitale Quellenkunde
  • Einführung Verwahrung/Erhaltung.

Diese Lehrgespräche werden für Praktikantinnen und Praktikanten aus allen Standorten des Staatsarchivs gemeinsam organisiert. Dies ist der Grund dafür, warum die Praktika für Studierende in allen Abteilungen des Staatsarchivs Anfang September bzw. Anfang März zeitgleich beginnen.

Neben mir haben 2 Studierende der Geschichtswissenschaft an den Videokonferenzen teilgenommen. Insbesondere Praktikantinnen und Praktikanten, die mit Archiven weniger vertraut sind, wird hier ein guter Einstieg in die Praxis geboten. Die Grundlagen der archivischen Arbeit wurden anhand konkreter Beispiele aus der Praxis erläutert. Da ich aufgrund meines Studiums bereits Archive kenne, waren für mich vor allem Sachsen-spezifische Themen von Bedeutung. Das sind z. B. das Sächsische Archivgesetz und die Sächsische Archivbenutzungsverordnung.

Erschließungsarbeit

Begonnen hat das Praxissemester im Referat 33 mit der Erschließung des Bestands 21095 Buchhaus Leipzig. Dieser Bestand wurde für die vom Praktikumsarchiv bewertete Erschließungsarbeit ausgewählt, die Teil des Praxissemesters für Studierende der FH Potsdam ist.

Prospekte vom Buchhaus Leipzig (Quelle: SächsStA-L, 21095 Buchhaus Leipzig, Nr. 47)
Prospekte vom Buchhaus Leipzig (Quelle: SächsStA-L, 21095 Buchhaus Leipzig, Nr. 47)

Das Buchhaus Leipzig war der einzige Versandbuchhandel der DDR und bietet somit einzigartige Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte der DDR. Aber auch kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte kommen nicht zu kurz.

Da ich bisher noch keine Erfahrungen mit Archivgut aus der DDR sammeln konnte, war die Arbeit an dem Bestand Buchhaus Leipzig besonders interessant. Auch eine Bewertung der Unterlagen war noch notwendig. Dabei wurde mir bewusst, welche besondere Rolle Archivare und Archivarinnen für die zukünftige Geschichtsschreibung spielen. Denn Sie entscheiden, welche Unterlagen dieser zur Verfügung stehen werden – und welche nicht.

Ein weiteres großes Projekt war die Erschließung von psychiatrischen Patientenakten aus dem Krankenhaus Altscherbitz. Vorwiegend sind die Akten in den 1970er und 1980er Jahren entstanden. Vereinzelt finden sich aber auch noch Unterlagen vor 1945, also aus Zeiten der nationalsozialistischen sogenannten „Rassenhygiene“ bzw. „Euthanasie“.

Das macht die Akten bzw. die darin enthaltenen Lebensgeschichten auf der einen Seite sehr interessant für die Forschung. Es wird aber auf der anderen Seite deutlich, welche Verantwortung Archivare und Archivarinnen für den Schutz personenbezogener Daten tragen. Auch die psychische Belastung der Archivmitarbeitenden darf nicht vergessen werden, wenn es z. B. um forensische Einweisungen geht, wie ein Beitrag der AG Barrierefreiheit des VdA-Arbeitskreises Offene Archive erläutert.

Weitere Erschließungsprojekte

BestandLaufzeit
21032 Leipziger Lebensversicherungsverein Barmenia auf Gegenseitigkeit1925-1946
20919 VEB Flachglaskombinat Torgau1945-1990
22434 Volksbuchhandel der DDR, Betrieb Leipzig1949-1997
21075 A. H. Payne / Esche-Verlag GmbH, Leipzig1910-1945
21874 Genealogischer Nachlass Carl Albin Knab1650-1947

Bewertungstermin im Finanzamt Grimma

Bei einem Bewertungstermin im Finanzamt Grimma konnte ich mehr über die Auswahl der zu archivierenden Steuerakten erfahren. Aufgrund der Masse an Steuerakten kann nur ein kleiner Teil archiviert werden.

Daher braucht es gute Kriterien, um eine aussagekräftige Stichprobe zu bilden. Zudem werden besondere und typische Fälle in kleiner Auswahl übernommen. Da es sich um Steuerakten aus den 1940er Jahren handelt, war – neben anderen Kriterien – auch ein Vergleich mit einem Verzeichnis von Verfolgten des Nazi-Regimes (VdN-Akten) möglich.

Benutzung und Öffentlichkeitsarbeit

Ebenso konnte ich mehreren Führungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Archivpädagogik beiwohnen. Das war zum einen eine Führung im Rahmen der Tagung Digital History & Citizien Science / Festveranstaltung 35 Jahre CompGen, an der viele erfahrene Genealoginnen und Genealogen teilnahmen. Zum anderen begleitete ich eine Führung für Schülerinnen und Schüler einer Oberschule, die im Rahmen eines Stolpersteinprojektes das Staatsarchiv besuchten. Dadurch konnte ich die archivische Öffentlichkeitsarbeit für verschiedene Zielgruppen kennenlernen.

Bestandserhaltung

Durch den hausinternen Restaurator erhielt ich eine Einführung in die Konservierung und Restaurierung von Archivgut. Dabei werden unterschiedliche Papiertypen und deren Alterungsbeständigkeit betrachtet.

Ich durfte auch selbst Hand anlegen: Mithilfe von Japanpapier schloss ich mehrere Risse, zudem reinigte ich schimmelbefallene Akten. Da Schimmelpartikel gesundheitsschädigend sein können, erfolgt die Trockenreinigung in einer Sicherheitswerkbank mit Handschuhen, Kittel und FFP2-Maske.

Trockenreinigung einer verschimmelten Akte in der Sicherheitswerkbank (Foto: Christian Schlöder)
Trockenreinigung einer verschimmelten Akte in der Sicherheitswerkbank (Foto: Christian Schlöder)

Des Weiteren konnte ich an einer ganztätigen standortübergreifenden internen Fortbildung zum Thema IPM (Integrated Pest Management) teilnehmen. Es wurde erörtert, welche Schädlinge in Archiven auftreten, welche Gefahr sie jeweils für das Archivgut darstellen und wie sie am besten bekämpft werden können.

Besonders interessant war hierbei, wie unterschiedlich in den einzelnen Archiven Schädlinge bekämpft werden. Das IPM ist stark von der jeweiligen Gebäudesituation abhängig und muss daher individuell angepasst werden.

Durch das Praxissemester konnte ich verschiedene Aufgaben kennenlernen und spannende Einblicke in den archivischen Berufsalltag gewinnen. Besonders der Austausch mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen brachte viel Mehrwert.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
SAXARCHIV (24. Februar 2025). Organisation der Langzeitpraktika im Staatsarchiv Leipzig: ein Erfahrungsbericht. SAXARCHIV-Blog. Abgerufen am 21. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13czw


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