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Fachkräftemangel. Der 25. Sächsische Archivtag in Chemnitz

25. Sächsischer Archivtag am 27. und 28. März 2025 an der TU Chemnitz, Tagungstaschen (Foto: Stephanie Kortyla).

Ob Handwerk oder Industrie, so auch im öffentlichen Dienst: Was tun, wenn das Fachpersonal fehlt? 170 Teilnehmende befassten sich beim 25. Sächsischen Archivtag 2 Tage lang mit einem Thema, das alle Archive betrifft.

Archivarinnen und Archivare aller Sparten kamen an die TU Chemnitz gereist, um sich über die Probleme und Lösungsmöglichkeiten von Personalmangel, Nachwuchsgewinnung und Ausbildung auszutauschen. Die Zugangswege zur Problemlage sind vielfältig: Handelt es sich nur um einen vorübergehenden Engpass oder einen dauerhaften Mangel? Entspricht die subjektiv wahrgenommene Situation auch den objektivierbaren Messgrößen?

Mangel oder Engpass?

Genau diesen Fragen widmete sich mit seinem Impulsvortrag Clemens Mieth (Landeshauptarchiv Koblenz). Er schärfte das Thema mit klaren Definitionen und arbeitete heraus, dass derzeit vor allem ein Mangel an ausgebildeten Diplomarchivaren herrsche, zukünftig jedoch mit einem starken Bedarf an akademisch ausgebildeten Archivaren zu rechnen sei. Dem steht allerdings entgegen, dass nach Selbstauskunft der sächsischen Archive vor allem ausgebildete FAMIs benötigt werden.

Clemens Mieth (Landeshauptarchiv Koblenz). Foto: Isabell Brückner.

In der Diskussion wurde dann deutlich, dass dies unter Umständen der Tatsache geschuldet ist, dass einfach keine höher dotierten Stellen zur Verfügung stehen, obwohl sie eigentlich benötigt werden. Gewarnt wurde vor einer „Selbstverzwergung“ der Archive: Angesichts des erwarteten Aufgabenzuwachses gerade im Bereich der elektronischen Archivierung und der Unterstützung bei der Digitalisierung der Verwaltung ist auch künftig gut ausgebildetes und adäquat besoldetes Fachpersonal nötig.

Organisation und Aufgabenwahrnehmung

Grußwort des Amtschefs des Sächsischen Innenministeriums, Ulf Bandiko (Foto: Isabell Brückner).

Damit war auch der Bogen geschlagen zur Frage, wie wir unsere archivischen Dienstaufgaben unter diesen Voraussetzungen in Zukunft wahrnehmen können. Bereits der Amtschef des Innenministeriums Ulf Bandiko hatte in seinem Grußwort auf Aufgabenkritik und Organisationsoptimierung verwiesen. Die Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs Andrea Wettmann rückte Kooperationen von Archiven in den Fokus, indem sie auf das „Archivzentrum Chemnitz“ in der Elsasser Strasse hinwies. Ähnlich argumentierte Carsten Wagner vom Archivverbund Pirna in den Fachvorträgen: Er berichtete aus dem Innenleben eines kommunalen Archivverbunds. Keiner der Partner hätte alleine die Aufgaben bewältigen können, gemeinsam können sie Personal beschäftigen und qualifizieren sowie gemeinsam Ressourcen nutzen.

Ralf Jacob, Stadtarchivar von Halle (Saale) und Vorsitzender des Vereins deutscher Archivarinnen und Archivare e. V. (VdA) wiederum hob den Nutzen digitaler Technologien hervor und rief dazu auf, künstliche Intelligenz vor allem als Chance zu begreifen – ein Zusammenhang, den auch Dr. Michael Ruprecht, Leiter des Stadtarchivs Leipzig und Vorsitzender des VdA-Landesverbands Sachsen herstellte, indem er Veränderung als Dauerzustand verstanden wissen wollte und die daraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten betonte.

Michael Rupprecht (Stadtarchiv Leipzig). Foto: Isabell Brückner.

Wertschätzung und Mitarbeiterbindung

In einer sehr anregenden Podiumsdiskussion steckten Matthias Schuster (Sächsische Staatskanzlei), Andrea Wettmann (Sächsisches Staatsarchiv), Michael Ruprecht (Stadtarchiv Leipzig) und Susanne Freund (FH Potsdam) nochmals das Feld ab. Als neuer Gedanke kam das Thema Wertschätzung hinzu (Freund), denn auch das vorhandene Personal zu binden ist wichtig, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Klar wurde, dass die Ausbildung von Fachpersonal perspektivisch nicht nur von den klassischen archivischen Ausbildungsgängen geleistet werden kann, sondern die Einbeziehung von Expertinnen und Experten angrenzender Fachgebiete notwendig sein wird (Wettmann). Zudem wurde hervorgehoben, dass der aktiven Lobbyarbeit eine zunehmende Bedeutung zukommt.

Qualifikation und Quereinstieg

Die Frage nach dem zielorientierten und wirtschaftlichen Verwaltungshandeln vor dem Hintergrund einer zunehmend dünner werdenden Personaldecke stellte nochmals Michael Klein (Sächsisches Staatsarchiv) und hob dabei den Wert der Aufgabenkritik mit einer aktiven Zieldiskussion hervor. Ähnlich argumentierte Raymond Plache (Sächsisches Staatsarchiv) und berichtete über den Einsatz von Drittkräften im Archiv. Dabei ist – so Plache – eine klare Festlegung nötig, welche Aufgaben genuin archivfachlich und nur durch Fachpersonal zu erledigen sind, und welche Arbeiten von Drittkräfte übernommen werden können. Dass auch subjektive Elemente bei der Problemlösung nicht zu vernachlässigen sind, zeigte Johanna Nienhaus (Kreisarchiv Warendorf) mit ihrer Schilderung der Erfahrung als Seiteneinsteigerin ohne archivfachliche Ausbildung. Einerseits war ihre Kritik berechtigt, denn unkonventionelle berufliche Werdegänge verdienen genauso Achtung und Anerkennung wie die üblichen Laufbahnausbildungen. Andererseits verdeckt aber nach Ansicht des Verfassers die Fokussierung auf Wertschätzung und Anerkennung einen wichtigen Teil des Problems: Wenn die Archivarsqualifikationen von den Trägereinrichtungen der Archive nicht als notwendig erachtet werden und der Bedarf von Zusatzausbildungen nicht akzeptiert wird, nehmen letztlich die Archive selbst Schaden. Fachliche Qualifikation gibt es nicht zum Nulltarif und „nebenbei“. Darin unterscheiden sich Archivarinnen und Archivare nicht von anderen Berufen. Das schließt neue, unkonventionelle Wege für Qualifikation und Ausbildung nicht aus.

Diskussionsfelder

Insgesamt zeichnete sich am Abend des ersten Tages ab, dass es 5 Diskussionsstränge sind, die bei der Bewältigung der Personalkrise im Archivwesen weiter zu verfolgen sind:

  • Aufgaben- und Organisationskritik, mit dem Ziel, die Anzahl der unterschiedlichen Aufgaben zu konzentrieren und zu reduzieren, und die Aufgabenwahrnehmung effektiver zu gestalten;
  • Archivverbünde bilden, gerade für kleine, kommunale Einrichtungen scheint das langfristig die einzige Möglichkeit zu sein, die gesetzlichen Archivaufgaben überhaupt noch in der notwendigen Qualität wahrnehmen zu können;
  • Aufgaben von Dienstleistern und Drittkräften wahrnehmen lassen, wo es möglich ist;
  • Ausbildungsgänge flexibler gestalten, Quereinstieg ermöglichen, fortbilden, Spezialisierung fördern;
  • Das vorhandene Personal binden und wertschätzen.

Digitalisierung, Outsourcing

Gerade im Bereich der effektiven Aufgabenwahrnehmung kommt den Thema Digitalisierung ein besonderer Stellenwert zu. Der zweite Tag bot deshalb unterschiedliche Workshops zu diesem Thema an, ebenso wie der Arbeit mit Dienstleistern und Drittkräften.

Jutta Wiese (Sächsisches Staatsarchiv) bot etwa 30 Teilnehmenden einen Einblick in die Qualitätssicherung von Digitalisierungsvorhaben, wobei insbesondere die Verknüpfung der Digitalisate mit UUIDs, die Verwendung von Farbtargets, die Leistungsprotokolle und die Digitalisierungstechnik thematisiert wurden.

Stephanie Kortyla (Sächsisches Staatsarchiv) und Fanny Wirsing (Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz), beide im Bereich Digitale Archivierung sowie gelegentlich als Fortbildungsreferentinnen tätig, boten eine Informationsveranstaltung zum Thema “Fortbildungen für Archivpersonal: Überblick über Einrichtungen und Anbieter im Bereich Digitales und Digitale Archivierung” an. Darin stellten sie eine Übersicht mit mehr als 150 Angeboten vor rund 35 Teilnehmenden vor. Exemplarisch wurden neben klassischen Fortbildungseinrichtungen auch unkonventionelle Optionen erläutert, darunter Präsenz-, Hybrid- und Online-Veranstaltungen, Selbstlernkurse (MOOC) und kostenfreie Angebote. Teilnehmende ergänzten die Übersicht und berichteten von eigenen Erfahrungen.

Zusammenarbeit und Wissenstransfer

Gleich mehrere Workshops widmeten sich darüber hinaus dem Thema der Zusammenarbeit mit Drittkräften, sei es mit Behindertenwerkstätten, mit Dienstleistern für Erschließungsaufgaben oder mit Ehrenamtlichen. Eine anregende Diskussion entwickelte sich zum Thema Wissenstransfer. Thomas Hoinka von den BGH Edelstahlwerken GmbH Freital stellte das Mentoren-Modell vor, nach welchem das Spezialwissen ausscheidender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Erfahrungsträger eruiert, dokumentiert und an neue Mitarbeitende weitergegeben wird. Die zur Verfügung stehenden 90 Minuten reichten bei weitem nicht aus, das Thema ausreichend zu beleuchten.

Infoveranstaltung: Stephanie Kortyla (links, StA), Fanny Wirsing (Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz). Foto: Isabell Brückner.

Fazit

Was bleibt vom 25. Sächsischen Archivtag? Mit Sicherheit bleibt die Erkenntnis, dass die Problemlage komplex ist und es keine einfachen Rezepte für ihre Lösung gibt. Genauso bleibt aber auch eine positive Grundstimmung, angesichts der anstehenden Schwierigkeiten nicht in Larmoyanz zu verharren, sondern in einen anstrengenden Prozess einzutreten. Und dafür gab es viele Anregungen, auch abseits der gewohnten Pfade nach neuen Lösungen zu suchen.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Peter Hoheisel (28. April 2025). Fachkräftemangel. Der 25. Sächsische Archivtag in Chemnitz. SAXARCHIV-Blog. Abgerufen am 21. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13ttz


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