200 Jahre Börsenverein – das Sächsische Staatsarchiv gratuliert!

Am 30. April feiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sein 200jähriges Jubiläum. Anlass für uns, der ereignisreichen Geschichte des ältesten Branchenverbandes Europas in den Beständen des Staatsarchivs nachzugehen. Begleiten Sie uns bei der Spurensuche!
Der Börsenverein und Leipzig
1825 wurde der „Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig“ als Dachverband der Buchbranche gegründet. Der Verein der Buchhändler und Verleger hat nachhaltige Spuren in der Stadt hinterlassen und Leipzig als Buchstadt geprägt.

Mit dem Börsenverein stehen in Verbindung:
- die Buchmesse, die jedes Jahr in Leipzig stattfindet.
- die 1853 gegründete Buchhändler-Lehranstalt: Heute setzt deren Traditionen die Gutenbergschule als Berufliches Schulzentrum der Stadt Leipzig fort.
- das 1884 gegründete Buchgewerbemuseum: Heute heißt es Deutsches Buch- und Schriftmuseum und verwahrt die erhaltenen Teile der Bibliothek und die historischen Sammlungen des Börsenvereins.
- das 1888 eingeweihte Deutsche Buchhändlerhaus an der Hospitalstraße (heute Prager Straße): Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, bis dahin war es Sitz des Vereins. Am historischen Standort wurde 1996 das Haus des Buches gebaut. In ihm ist die Geschäftsstelle des Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ansässig.
- die 1912 als Archiv des deutschsprachigen Schrifttums gegründete Deutsche Bücherei: Heute führt sie ihre Arbeit als Deutsche Nationalbibliothek weiter.
Die Überlieferung im Staatsarchiv Leipzig
Im Staatsarchiv Leipzig wird der größte Teil der Überlieferung aus den 2 Jahrhunderten Vereinsgeschichte aufbewahrt. Hier sind die Geschäftsunterlagen des Börsenvereins im Umfang von 171 laufenden Metern archiviert. Sie gehören zu den am meisten genutzten Archivalien des Sächsischen Staatsarchivs überhaupt. Die Überlieferung ist in 2 Beständen zusammengefasst und online recherchierbar:
- der Bestand 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I) umfasst Dokumente für die Zeit von der Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs
- der Bestand 21766 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (II) enthält das Archivgut zur Geschichte des Vereins in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR.
Beide Bestände bieten reichhaltiges Quellenmaterial und vielfältige Forschungsansätze für die Buchhandelsgeschichte allgemein und die der Stadt insbesondere.
Der Bestand 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I)

Lange Zeit ging man davon aus, dass mit der Zerstörung des Buchhändlerhauses durch den Bombenangriff der Alliierten auf Leipzig in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 auch das Vereinsarchiv vollständig vernichtet worden war. Doch 1970 konnten, verborgenen auf dem Gelände des Buchhändlerhauses, Akten gefunden werden: Rund 20 laufende Meter allgemeine Geschäftsunterlagen und etwa 80 laufende Meter Firmenakten wurden gerettet.
Diese Unterlagen geben Auskunft zu wichtigen Themen aus der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg:
- Raub- und Nachdruck
- Rabatt- und Preisschleuderei
- Entwicklung der buchhändlerischen Verkaufsordnung
- Verlags- und Urheberrecht
- Buchhandelskrise der Weimarer Republik
- Auslandsbuchhandel
- Vereinsgeschichte.
Die Firmenakten
Von besonderer Bedeutung sind die in den 1930er Jahren in der Geschäftsstelle des Börsenvereins angelegten Firmenakten. Über sie sind Unternehmen nachweisbar, die bis 1945 Mitglied im Börsenverein waren oder über den Börsenverein zur Aufnahme in das „Adreßbuch des Deutschen Buchhandels“ abgefragt wurden.

Die wissenschaftliche Forschung geht davon aus, dass die überlieferten Firmenakten etwa 90 Prozent der Börsenvereinsmitglieder vor 1945 belegen. Darunter sind auch viele ausländische Firmen. Gerade in dieser weitgehenden Vollständigkeit liegt der besondere Wert des Aktenbestands.
Die alphabetisch nach Firmennamen angelegten 22.000 Akten spiegeln die Rolle des Börsenvereins als ideologisch gleichgeschaltete berufsständische Vertretung im NS-Staat wider. Sie geben Anhaltspunkte für die Provenienzforschung, denn sie enthalten Hinweise auf die „Arisierung“ jüdischer Unternehmen oder zur Behandlung der Firmen von „Feindstaaten“. Oftmals sind sie das einzige Zeugnis zur jeweiligen Unternehmensgeschichte überhaupt.
Angesichts ihrer außerordentlichen Bedeutung hat das Staatsarchiv mit der Digitalisierung der Firmenakten begonnen. Im Laufe dieses Jahres werden die ersten Akten online einsehbar sein.
Der Bestand 21766 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (II)
Im Juni 1946 wurde der Börsenverein durch die Sowjetische Militäradministration wieder zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine Zweigstelle in der amerikanischen Besatzungszone in Wiesbaden niedergelassen. 1948 schlossen sich die buchhändlerischen Landesverbände der amerikanischen und der britischen Besatzungszone zur Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände in Frankfurt am Main zusammen. 1955 kam es im Zuge einer Umorganisation zur Umbenennung in Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

Der Börsenverein in Leipzig versuchte, unter dem alten Namen die Traditionen fortzusetzen, allerdings ohne Repräsentanzanspruch für das gesamte deutsche Buchwesen. Die überlieferten Unterlagen zeugen davon, dass der Leipziger Verein im ökonomischen System der Planwirtschaft die Funktionen und Aufgaben eines Wirtschaftsverbands verlor. Allmählich entwickelte er sich zu einem Instrument der Kulturpolitik der SED.
Die deutsche Buch- und Verlagsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem eine deutsch-deutsche Geschichte. Schon in der frühen Nachkriegszeit spielten der innerdeutsche Handel und die Beziehungen zum Frankfurter Börsenverein des Deutschen Buchhandels eine wichtige Rolle. Mit dem Interesse an Devisen gewann der Auslandsbuchhandel in der DDR ab Mitte der 1950er Jahre eine immer größere Bedeutung.
Ein anderer Überlieferungsschwerpunkt ist die Umgestaltung des Buchhandels der DDR. Der private Buchhandel wurde immer weiter zurückgedrängt. Damit einher ging der Aufbau eines sozialistischen Monopols im Zwischenbuchhandel. Der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) wurde errichtet, Volksbuchhandlungen entstanden.
Gleichermaßen offenbart sich die Mitwirkung des Börsenvereins an der Literaturpropaganda: Ein Großteil der Dokumente hat die Förderung der sozialistischen Gegenwartsliteratur, Buchwochen und Buchausstellungen sowie Werbung zum Inhalt.
Dass Leipzig die bedeutendste Buch- und Verlagsstadt der DDR war und der Börsenverein sich bemühte, diese Identität zu fördern, belegen die Akten:
- zur Entwicklung der Leipziger Buchmesse
- zum Wettbewerb „Schönste Bücher aus aller Welt“
- zur Internationale Buchkunstausstellung (iba). Diese wurde erstmals 1959 in der DDR veranstaltet.



Archivalien zum Börsenverein in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig
Weitere Unterlagen des Börsenvereins werden in der Deutschen Nationalbibliothek aufbewahrt. Dort ist das Buchhandelsarchiv der Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels überliefert. Die einzigartige Spezialsammlung besteht aus einem Leipziger und Frankfurter Teil und beinhaltet überwiegend deutschsprachige Archivalien zur Buchgeschichte des 19. Jahrhunderts.
Das Festjahr
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begeht das Festjahr mit zahlreichen Veranstaltungen, die nicht nur rückblickend auf die bewegte Geschichte, sondern auch auf die Themen der Zukunft ausgerichtet sind. „Neue Kapitel“ ist das Motto des Jubiläumsjahres.
Die Festschrift „Zwischen Zeilen und Zeiten. Buchhandel und Verlage 1825 – 2025“ erzählt in mehr als 200 kurzen Essays eine etwas andere Geschichte des Buchhandels. Auch Mitarbeiterinnen des Staatsarchivs haben sich mit Beiträgen zum Deutschen Verlegerverein, zu den Buchhändler-Erholungsheimen und zur deutsch-deutschen Frühjahrsmesse 1947 beteiligt. Dabei schöpften sie aus dem reichhaltigen Quellenmaterial der beiden Bestände.
Die Stadt Leipzig hat das Jahr 2025 unter das Motto „Mehr als eine Geschichte. Buchstadt Leipzig“ gestellt. Zahlreiche Veranstaltungen geben Gelegenheit, die Buchstadt Leipzig zu entdecken.
Das Staatsarchiv Leipzig bereichert das Veranstaltungsprogramm mit Führungen und Online-Vorträgen. Feiern Sie mit uns das Jubiläum und entdecken Sie die Buchstadt Leipzig!
Veranstaltungen des Staatsarchivs zum Jubiläumsjahr:
Zum Greifen nah! Historische Quellen zur Leipziger Buchhandelsgeschichte
Führungen am 15. Mai 2025, 16.00-17.30 Uhr und am 25. September 2025, 16.00-17.30 Uhr (Ort: Staatsarchiv Leipzig, Schongauerstraße 1, 04328 Leipzig)
Quellen zu deutschsprachigen Verlagen und Buchhandlungen: Online vorgestellt, 9. Oktober 2025, 17.00-18.00 Uhr (zum Link)
Ungeöffnete Königsgräber? Online-Vortrag am 20. November 2025, 17.00-17.45 Uhr (zum Link)
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Anett Müller (30. April 2025). 200 Jahre Börsenverein – das Sächsische Staatsarchiv gratuliert! SAXARCHIV-Blog. Abgerufen am 22. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13uii